Ausschreibung der gesamten Strecke (ca. 63 km):
Im Rahmen der Aktion “Spenden-Ultra” für das “Kinder-und Jugendhospiz Bethel” findet am Samstag auf Sonntag Nacht (19./20. März 2016) ein ca. 63 km langer Lauf von Bielefeld entlang des Hermannsweges zum Hermannsdenkmal und zurück statt. Ein besonderes Merkmal ist es, dass bewusst in der Dunkelheit / Nacht gelaufen wird.
Der “Hermann-Nightrun” wird als privater Einladungslauf organisiert. Der Lauf ist zu verstehen wie eine private Verabredung zum Laufen. Jeder Teilnehmer ist für sich selbst verantwortlich und nimmt an dem Lauf auf eigenes Risiko teil. Es handelt sich nicht um einen offiziellen Wettbewerb. Der Lauf findet als einmaliges, individuelles Ereignis unter Gleichgesinnten statt.
Gegen 19:30 Uhr aufgebrochen, komme ich gegen 20:45 Uhr in Bielefeld an und fühle mich wie früher, als ich noch direkt in Hannover gewohnt habe. Wir starten direkt vor der Haustür des Organisators Jan-Olof und Parkplätze sind hier echte Mangelware. Nach einigem Hin-und-Her (ups, dieser Parkplatz hat ein elektrisches Schiebetor … nicht gut …) ist aber auch dieses Problem gelöst und nach und nach füllt sich Jan-Olofs Garage mit Läufern/Läuferinnen.
Auf der Starterliste standen 29 LäuferInnen, Erkältungen und sonstige Gebrechen sorgten dann aber wohl dafür, dass sich letztendlich “nur” ca. 15 LäuferInnen zum Startfoto aufstellten. Diese dafür aber alle hoch motiviert und bestens gelaunt. Gegen 22:00 Uhr geht es los. Anfangs noch etwas verhalten, dann aber zunehmend flotter. In einer Gruppe laufen wir durch die Bielefelder Innenstadt. Als Truppe von 15 LäuferInnen mit Stirnlampen erhalten wir viele verwunderte Blicke und auch einige “interessante” Kommentare. Etwa 2 km ist es noch flach, aber schon dann beginnt der erste Anstieg. Es geht rauf auf den Hermannsweg im Teutoburger Wald. Die große Gruppe zerfällt fix in diverse Gruppen unterschiedlichen Tempos. Es wird herrlich still, keine Autos mehr, nur noch Stirnlampengefunzel in der dunklen Nacht. Ich laufe ab jetzt zusammen mit Andreas in einer Zwei-Mann-Gruppe. Andreas kennt sich hier – im Gegensatz zu mir – bestens aus, so dass mein GPS weitestgehend im Laufrucksack verbleiben kann. Nur einmal auf dem Rückweg “muss” ich den Pfadfinder Andreas darauf hinweisen, dass mein GPS meint, wir laufen falsch.
Andreas macht gutes Tempo, passt aber immer auf, dass ich an ihm dran bleibe. Bei mir läuft deshalb der Schweiß reichlich und ich bin froh, bei Kilometer 14 am ersten VP, einen halben Liter Flüssigkeit aufnehmen zu können. Jan-Olof hat hier Kisten mit allerlei Leckerem deponiert. Hier gibt es Wurst- und Käseschnitten, Muffins, Kartoffeln, Erdnüsse, Gels, Mini-Salamis und und und … jedenfalls viel mehr, als ich Hunger habe. Weiter geht es durch Oerlinghausen, Die Kirche dort ist beleuchtet, aber es ist bereits gut nach 23:00 Uhr und folglich ist dort keine Menschenseele mehr zu sehen (außer den Läufern natürlich). Es geht auf und ab und auf und ab, usw.
Am Rand des “Truppenübungsplatzes Stapel” kommen uns drei Läufer mit Stirnlampen entgegen. Wo gehören denn die dazu? Es gab heute auch noch den Laufsohle Ultra vom Hermannsdenkmal bis nach Bad Iburg, aber diese LäuferInnen müssten mittlerweile, ebenso wie die LäuferInnen auf der 32km Strecke des Hermann Nightrunsk, alle lange im Ziel sein. Wir sind so verwundert, dass wir es versäumen, die Läufer zu fragen, wohin sie des Weges ziehen 😉
Bei Kilometer 28 erneut ein 1a-VP. Jan-Olof (selber nicht mitgelaufen) ist auch vor Ort … Klönschnack … Flüssigkeitsvorrat auffüllen … Schokolade futtern … und weiter geht es auf den letzten großen Anstieg zum Hermannsdenkmal. Am Hermann gab es heute “LightArt 2016 – DER HERMANN leuchtet!”, so dass wir direkt hinter dem Parkplatz von der Security-Mannschaft angehalten werden. Ich verstehe “Dope? Dope?” und denke mir “Nein, brauche ich nicht”. Aber was der Wachmann uns sagen will ist “Stooopp!” (mit drei O). Nachdem wir erklärt haben, dass wir extra 32 km (plus noch 32 km für den Rückweg) für ein Foto vom Hermann gelaufen sind, dürfen wir dann freundlicherweise doch noch ein Stück in Richtung des Denkmals weiterlaufen.
Danach geht es ein paar Kilometer immer nur bergab zurück zum VP. Wieder das gleiche Spiel … Klönschnack … Flüssigkeitsvorrat auffüllen … Schokolade futtern … und weiter. Die Nebelsuppe wird jetzt immer dichter und die Beine immer schwerer. Auf den höher liegenden Abschnitten beträgt die Sichtweite mit den Stirnlampen nur wenige Meter. Wir sind mittendrin in den Wolken. Irgendwann sind wir zurück in Oerlinghausen. Ich nutze die Gelegenheit, den mit Ostereiern geschmückten Brunnen zu fotografieren. Das gibt mir die Möglichkeit mal nicht laufen zu “müssen”. Zum Glück kommt jetzt gleich der VP in Oerlinghausen. Hier treffen wir erneut auf Jan-Olof, der in der Kälte und Feuchte der Nacht ausharrt und uns aufmunternd begrüßt. “Nur noch ca. 14 km”, sagt er. Na dann … Nach etwas Trinken und ausgiebigem Futtern der letzten Erdnussvorräte des VPs geht es um 04:26 Uhr weiter. Ich bin müde und die Beine sowieso. Andreas wartet aber immer wieder geduldig, damit ich zu ihm aufschließen kann. Dieses Spiel wiederholt sich bis ca. 05:40 Uhr bei Kilometer 58. Nach einer Einkehr meinerseits in die “Waldtoilette” sind wir getrennt. Einem Trupp vorbeiziehender Läufer, die sich nach meinem Befinden erkunden, kann ich noch mit auf dem Weg geben “Alles gut, Andreas braucht / soll nicht warten”. Danach läuft es (obwohl jetzt 1 Pfund leichter 😉 ) bei mir richtig zäh.
Es ist jetzt fast 06:00 Uhr, von vorne kommt ein frisch aufgestandener Läufer, der die Steigung nur so hoch fliegt. So frisch wäre ich jetzt auch gerne. Er wundert sich über meine Stirnlampe. Ich stelle dann fest, oh, es ist schon hell. Die Stirnlampe kann also aus. Nun kommt ein Teilnehmer mit weiblicher Fahrradbegleitung aus unserer Truppe von hinten angeschossen. Ich schließe mich ihnen an und aus meinem Schleich-Schlurfschritt wird auf den letzten 4 km nochmals Laufen mit einer flotten Pace von fast 6 min/km.
Um ziemlich genau 06:30 Uhr bin ich zusammen mit meinem fahrradbegleiteten Mitläufer als Letzter(!) im Ziel. Am Ende zeigt meine Uhr 65.3 km mit 1162 Höhenmetern in 8h32min. Geplant hatte ich für mich 8 bis 9 Stunden, also alles eigentlich im grünen Bereich, obwohl es gefühlt, insbesondere zwischen Kilometer 45 und 60, sehr mühsam war.
SMS nach Hause, Klönschnack, trockene Klamotten anziehen … Eine warme Brühe und meine Lebensgeister sind wieder erweckt. Ich beschließe, der mitgebrachte Schlafsack bleibt im Kofferraum und es geht ohne Schlaf direkt nach Hause.
Sonntag Morgen, 07:30Uhr, drömeliges Wetter, die A2 gehört mir fast alleine. Ein Traum. Wenn das mal immer so wäre.
Fazit: Der Herrmansweg hat es mit seinen Steigungen, den Treppen und dem Untergrund echt in sich und das Laufen im Dunklen macht es auch nicht einfacher. Aber es wird wohl auch in Zukunft dabei bleiben, dass mich der “normale”, am Tage gelaufene Hermannslauf (mit seinen 30km) nicht sehen wird, weil es dort keinen Statistikpunkt für meine Marathonzählung gibt. Außerdem wäre mir die Veranstaltung mit den vielen tausenden Läufern viel zu groß.
Toller Lauf mit sehr netten Mitläufern/Mitläuferinnen, super und mit sehr viel Engagement von Jan-Olof (der sich auch die ganze Nacht um die Ohren geschlagen hat) und seiner besseren Hälfte organisiert. Danke!!!