Achtung, Vorsicht, dieses Mal etwas mehr Text. Bei nächsten Mal komme ich wieder mit 3 Sätzen aus. Versprochen …

Ich habe lange mit mir gekämpft, sollte ich zwischen einem 52km und einem 100km Lauf noch einen 71km Lauf dazwischen schieben? Ist das wirklich eine gute Idee? Aber irgendwie überwog die Neugier auf diese neue Strecke und außerdem findet dieser Trail-Lauf ja gewissermaßen fast (eine Autostunde) vor der Haustür statt. Das muss unterstützt werden … Also wurde sich angemeldet.

Weckerklingeln um 04:45 Uhr … Duschen … Mini-Frühstück … Letzter Wetter- und Straßenberichts-Check … Wetter und Autobahn scheinen im grünen Bereich zu sein … um 05:50 Uhr geht es auf die Piste. Kerstin fährt zum Glück und ich kann noch ein wenig vor mich hin-dösen.

Kurz vor 07:00 sind wir in Schlewecke, dem Startort, einem kleinem Dorf etwas nördlich von Bockenem im Vorharz. Im Dorfgemeinschaftshaus hat Burkhard und (s)ein Team von Helfern ein leckeres Frühstück mit Brot / Brötchen / Wurst / Käse / Fleischsalat / Lachs / Honig / Marmelade / Müsli / Früchten / Joghurt / Eiern / Säften und / und / und aufgebaut. Ich esse mal wieder mehr als ich wollte 😉 Zum Glück ist’s ja noch fast eine Stunde hin bis zum Start.

Ausrüstung komplettieren, Sonnenschutz auflegen, Smalltalk mit bekannten Gesichtern, Startfoto mit allen Läufern … fast Punkt Acht werden wir dann von Burkhard auf die Piste geschickt.

Ich laufe zunächst mit einer Dreiergruppe zusammen mit Tanya und Lars. Da ich aber immer mal wieder ein Foto mache, sind die Beiden des Öfteren verschwunden, warten aber auch immer wieder auf mich. Tanya ist zwar eigentlich eher eine Rennziege, sie hat aber heute keine Wahl. Sie hat aus irgendwelchen Gründen leider nur den 55km GPS-Track auf ihrer Uhr und muss so auf die beiden Rennschnecken Lars und Frank warten … und alleine Laufen ist außerdem wohl auch nicht so ihr Ding.

Die 9km bis zum ersten VP vergehen wie im Flug, es geht über diverse Trails durch hohes Gras und auch mal über matschigen Untergrund. Der VP liegt direkt vor der schönen Burg Wohldenberg. Der Bergfried der Burg kann bestiegen werden, unsere 3’er Gruppe nimmt sich dafür aber keine Zeit. Dafür bestaunen wir ausgiebig ein absolut zahmes, anscheinend ausgebüxtes Kaninchen im Innenhof der Burg. Wenigstens Kerstin steigt den Bergfried nach oben und macht ein paar schöne Fotos Richtung Harz. Am VP – nach gerade einmal 9km !!! – stürze ich mir den 1. Liter Isogetränk herunter. Wir haben zwar nur ca. 22°C und die Sonne ist noch hinter den Wolken, aber wir laufen in einem Waschküchenklima. Luftfeuchtigkeit ohne Ende. Ich schwitze wie doof, aber auf Grund der hohen Luftfeuchtigkeit verdampft der Schweiß nicht und kühlt somit natürlich auch kaum. Laufshirt und Hose könnte man auswringen, so nass sind die Klamotten mittlerweile …

Weiter geht es grob nach Osten, Richtung Baddeckenstedt. Hier geht es irgendwann aus dem Wald heraus. Wir entdecken den Berg der Berge (zumindest für Norddeutsche), den Brocken in der Ferne im Dunst. Hier, auf freiem Felde ohne Bäume, weht jetzt wenigstens ein Hauch von Luftzug. Aber schon nach etwas über einem Kilometer geht es wieder zurück in den Wald.

Bei ca. Kilometer 28 der nächste VP auf einem Parkplatz beim Jägerhaus. Wieder spüle ich ca. ¾ Liter Isogetränk meinen Hals herunter. Dazu noch ein schönes Stück Kuchen. Alles bestens. Die Trinkblase meines Laufrucksackes muss auch noch um ca. 1 Liter Flüssigkeit ergänzt werden. Wow! Das große Schwitzen hält an.

Jetzt geht es weiter Richtung Süden zu einem weiteren schönen Abschnitt der Laufstrecke, den Bodensteiner Klippen. Hier gibt es neben geschotterten Waldwegen auch butterweich gefederte schmale Trailstücke, dazu noch bergab. Beim Herunterflitzen dieser Stücke habe ich ein Lächeln auf den Lippen und ich laufe sogar mal vor Tanya 😉

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Vorbei an den Geroldsklippen kommen wir irgendwann zu den Sofaklippen. Hier hätten wir irgendwo nach rechts abbiegen sollen. Burkhard wollte uns die Sofaklippen, einen schönen und historischen Ort aber offenbar vorenthalten!? Wir verlaufen uns (absichtlich unabsichtlich) und stehen plötzlich direkt vor den Klippen. Ein Selfie am Fuße der Sofaklippen … dann klettern wir die steinerne Treppe nach oben für das nächste relaxte Selfie auf dem Sofa. Der Stein ist angenehm kühl und alle Ecken des Sofas sind angenehmen rund. Hier bleibe ich … Aber irgendwann müssen wir dann doch weiter. Vom Abstecher zur Sofaklippe zurück auf dem Track des Veranstalters treffen wir wieder auf Lars, den wir zwischenzeitlich verloren hatten. Lars hat nach einigem Verletzungspech in letzter Zeit nicht so recht den gewohnten Antritt. Später erzählt er mir, dass er bald nach diesem Treffen irgendwo auf einer Bank saß und sich, wenn sich die Gelegenheit geboten hätte, von einem Auto hätte mitnehmen lassen. Aber auch Lars, so viel sei vorweg genommen, hat sich durchgekämpft und kam nur etwa eine Stunde nach mir als Dritter ins Ziel.

Ansonsten gibt es hier noch den Hauptturm (auch eine Klippe und kein Turm, wie mir Kerstin später berichtet 😉 ) und die Osterklippen. Unser Track führt uns heute jedoch nicht daran vorbei. Aber Kerstin bringt vom Geocachen am Haupturm und in der Nähe der Osterklippe ein paar Bilder davon mit.

Jetzt weiter Richtung Süden. Grubenberg, Kranzberg, Schreckenberg sagt die Karte. Alle so um die 300m N.N. Immer schön durch den Wald …

Nun kommt erneut ein sehr, sehr schöner Abschnitt im Lutterbecken. Ein schmaler, trailiger Pfad, der sich als Walderlebnispfad outet. Für die vielen einzelnen Stationen des Pfades haben wir natürlich keine Zeit. Ein Wegweiser deutet auch auf eine Aussichtsplattform hin, an der wir allerdings nicht vorbeilaufen.

Nach ca. 2km endet aber auch dieser schöne Pfad. Wir kommen jetzt zum 3. VP am Rande einer Sandgrube. Über ein Liter Flüssigkeit, Erdnüsse, Haribo-Konfekt, Kuchen für den Magen und noch ein ¾ Liter Cola in die mitgeführte Flasche und weiter geht es.

Mittlerweile sind Tanya und ich zu einem Leckerbissen für die Bremsen geworden. Diese Viecher sind nun echt lästig. Kein Wunder, da wir – insbesondere wohl ich – nach über 5 ½ h des Dauerschwitzens, vermutlich für diese Insekten 1km gegen den Wind zu riechen sind. Ständig sind diese verfluchten Dinger jetzt um uns. Sie stechen (beißen ?) sogar durch Laufshirt und Laufhose. Immer schön in Bewegung bleiben, sonst hat man sofort verloren.

Wir sind jetzt ca. 47 Kilometer gelaufen, ich fange an die bisherige Pace hochzurechnen und eröffne Tanya, dass wir, wenn alles gut läuft, nach ca. 9h30min im Ziel sein werden. Sie guckt mich mit großen Augen ungläubig an, da sie sich irgendwas gut unter 8h vorgenommen hatte und das ohne mich als Bremsklotz natürlich auch schaffen würde. Was hat sie auch ihre GPS-Uhr nicht im Griff 😉

Jetzt geht es auf der Rückseite der Bodensteiner Klippen über den Jägerstein zu VP 4 am Jägerhaus, der identisch mit VP 2 ist. Wieder das Ritual mit 1 Liter Flüssigkeit, Trinkblase auffüllen und nochmals einen ¾ Liter Cola für unterwegs abgefüllt.

Tanya wünscht sich beim VP-Personal jetzt wieder etwas mehr Trail. Und sie bekam ihn 😉 Sofort der Kilometer direkt im Anschluss an den VP führt über einen verkrauteten Trail mit Brennesseln, matschigen Harvester-Spuren und jede Menge Brombeerzweigen … Autsch …

Jetzt kommen wir langsam näher an die BAB 7. Das Rauschen wird immer lauter. Bevor wir die Autobahn an einer Unterführung unterqueren können, laufen wir ca. 2km parallel auf Schotter neben der Autobahn. Ich aktiviere meinen mp3-Player. Gegen den Straßenlärm kommt die Musik aber kaum gegen an. Gruselig … Der Vorteil ist aber, ich kann Tanyas sklaventreiber-ähnliches Anpeitschen (sinngemäß): „Nun lauf doch“ … „Nimm die Beine in die Hand, ich möchte nach Hause“ … „Nun komm Junge“ … und so ähnlich gekonnt überhören 😉 Half aber eh alles nichts. Auch ihre Motivationversuche mit der mehrfachen Erwähnung eines kühlen, leckeren Weizenbieres im Ziel, helfen nicht. Meine Beine fühlen sich nach 65km immer noch richtig super an, aber die Glykogendepots meines Körpers scheinen erschöpft zu sein und ich laufe rein auf Fettverbrennung. Klappt in meinen Augen auch sehr gut. Mit einer Pace von immer noch 7:10min/km in der Ebene bin ich persönlich immer noch sehr glücklich. Für Rennziege und Vorfußläuferin Tanya ist das aber zu ermüdend 😉

Egal, wir laufen … noch ca. 5km … der letzte Rest Cola wird vernichtet … dann kommt die Kirche von Schlewecke in Sicht und man weiß endgültig, jetzt kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

In Schlewecke werden wir dann klatschend empfangen. Das tut gut … Kurze Ruhepause auf der Treppe und dann gibt es heute gleich zwei alkoholfreie Weizenbiere à 0.5l in Rekordtempo für mich … Hmmmm … Lecker … Trotz 8 Liter Trinken unterwegs, schmachtet der Körper nach weiterer Flüssigkeit.

Smalltalk … Abdampfen … Frischmachen … Zwei Teller voll mit Nudeln und Bolognese-Sauce sowie Parmesankäse plus ein Teller Salat. Die Lebensgeister sind wieder hellwach.

Außerdem hat das Orgateam noch für eine Massage für alle Läufer gesorgt. Ich fragte mich zwar im Stillen, ob die Masseurin für meinen ungeduschten, mit Sonnenchreme bedeckten und verschwitzten Körper eine Schmutzzulage bekommt, aber diese Gedanken sind auf der Massageliege schnell vergessen. Die Gedanken sind eher schon wieder bei nächstem Lauf, einem 100’er Rund um Bielefeld in 2 Wochen. Wird das wohl auch so gut klappen?

Die Siegerehrung ist heute auch etwas ungewohnt. Ich stehe nämlich zusammen mit Tanya vorne und bekomme von Burkhard ein Präsent überreicht. Wir haben den 71’er tatsächlich mit unseren 9h28min gewonnen. Für Tanya nicht ganz neu, für mich eher ungewöhnlich. Dadurch, das wir beide zusammen ins Ziel liefen, haben wir die Orga mit ihren Präsenten dann auch noch etwas ins Schwitzen gebracht 🙂

Was soll ich abschließend sagen? Mir haben der Lauf, die Landschaft und das organisatorische Drum-Herum sehr viel Freude bereitet. Nächstes Mal bitte etwas weniger Temperatur und Luftfeuchte, aber damit muss man immer Sommer wohl rechnen 😉 Allerdings denke ich, und das sahen einige der Mitläufer ähnlich, müsste noch mal über den Kostenbeitrag für diesen Lauf nachgedacht werden. Vielleicht auch den Aufwand etwas zurückfahren, Massage optional dazu buchbar? Kein Ahnung, nur meine Idee / Meinung. Es gibt Läufe in dieser Art und Größenordnung, da geht es für fast die Hälfte. Ich kann natürlich nichts zu den realen Kosten dieses Laufes sagen, aber ich denke, noch ein paar mehr Teilnehmer würden diesem Lauf gut zu Gesicht stehen, und das geht vllt. am ehesten über den Kostenbeitrag!? Vom Organisationsaufwand dürfte zwischen 15 und 40 Läufern vermutlich kein großer Unterschied sein. Der Platz im Dorfgemeinschaftshaus ist jedenfalls vorhanden. Ich denke / hoffe, mit etwas moderater Preisgestaltung sind beim nächsten Mal trotzt Urlaubszeit mehr Läufer dabei.

Tausend Dank an Burkhard und sein Team, danke an Tanya für die Geduld … Und auch wenn die vielen Bremsenbisse an Brust, Beinen und Armen und die Brombeerzweigkratzer an den Oberschenkeln und Schienenbeinen immer noch wie Hölle jucken, sage ich mal „Bis nächstes Jahr …“.