Bei diesem Lauf geht es, logischerweise bei Ebbe, ca. 12km herrlich matschig und feucht von der Nordseeinsel Neuwerk durch das Wattenmeer, Richtung Cuxhaven. Von Cuxhaven aus dann durch Marsch- und Geest-Landschaften sowie diverse Moore, vorbei am Bederkesa See, Flögelner See, Halemer– und Dahlemer-See.
Bereits 2014, 2015 und 2017 auf der 60km Strecke dabei gewesen, sollte es dieses Mal die lange Strecke über 100km werden. Die 80km durch die Lüneburger Heide vor 2 Wochen waren zwar langsam, aber liefen locker, von daher haben mich die 100km im Vorfeld nicht weiter beunruhigt. Allerdings sind wir bereits vorher, mit dickem Rucksack, 14.5km von Cuxhaven (Start bei der Döser Kiche) aus zur Insel herüber gelaufen und haben dann bei der Inselerkundung laut GPS auch noch mal etwas über 18.7km gemacht. Die Füße waren nach dieser “33km Vorlauf-Aktion” also eigentlich schon am Vorabend platt 😉 Gestartet ist der erste Tag morgens um 6:00Uhr, und er endete mit einem wunderschönen Sonnenuntergang über der Insel Scharhörn kurz nach 22:00Uhr.
Übernachtet haben wir im “Das alte Fischerhaus”. Von hier ging es dann, nach üppigem Frühstück und dem obligatorischem Startfoto Punkt 08:30Uhr auf ins Wattenmeer. Die Kilometer durchs Watt vergehen leider wie üblich viel zu schnell. Nach ziemlich genau 1.5h erreichen wir schon das Festland bei Cuxhaven / Duhnen. Wir laufen noch ein kurzes Stück am Strand entlang, um dann am Döser Strandhaus Schuhe und Socken gegen trockene Exemplare zu tauschen. Es ist immer wieder erstaunlich wie (und in welcher Menge) das extrem feine Watt seinen Weg in die Schuhe und in(!) die Socken findet 😉
Kerstin steigt in Döse auf das Fahrrad um. Für mich geht der Weg vorbei an der Kugelbake, durch die Grimmershörnbucht, Fährhafen, Alte Liebe, alter Fischereihafen und weiter durch den neuen Fischereihafen, wo es heute “herrlich” aus der Fischmehlfabrik riecht, so dass es einem fast schlecht wird … Irgendwo kurz vor Wanhöden holt mich Kerstin, nachdem sie am Gudendorfer See mit ihrem Fahrrad im Sand stecken geblieben ist, dann wieder ein.
Bei Wanhöden gibt es bei ca. Kilometer 37 den ersten Verpflegungspunkt. Ich habe mächtig Durst. Die Trinkblase mit ihren 1.5L ist ebenso wie meine 0.75L Reserveflasche bereits leer. Im Cuxhavener Hafen musste ich an einer Klappbrücke kurz warten und auch die dort käuflich erworbene 0.33L Flasche mit Apfelschorle ist bereits weggegurgelt. Das kann ja lustig werden. Der nächste offizielle VP ist erst bei Kilometer 89 und dazwischen ist Niemandsland. Wir teilen zwar per WhatsApp unseren Live-Standort mit dem Organisator, damit wir mobil versorgt werden können, aber zwischen VP1 und VP2 klappt das 50 Kilometer lang nicht so wirklich.
In Flögeln findet auf einer Wiese am See ein Wettkampf der freiwilligen Feuerwehr statt. Hier erwerbe ich fix 2 Gläser Cola und laufe mit wiedererwachten Lebensgeistern weiter. Kurz hinter Flögeln treffe ich dann wieder auf Kerstin, die in Bederkesa ihre Fahrradtaschen gefüllt hat. Jetzt kann ich meine Trinkblase und die Reserveflasche wieder auffüllen.
Dann folgt noch ein “Highlight”: Ein vielleicht 500m langer Abschnitt am Neuenwalder-Ahlener-Randkanal. In der Karte ist da ein dünn gestrichelter Track, die Realität ist aber ein Damm mit dichter, bauchnabelhoher Vegetation, Kaninchenlöchern und Schräglage. Und Schwärme von Bremsen! Immerhin, nicht ganz so viele Bremsen wie im Wald kurz vor dem Bederkesa See 😉 Nach einigen hundert Metern endet der Weg dann aber endgültig in Massen an jungen Brombeeren. Nachdem links und rechts die erste rote Flüssigkeit die Oberschenkel herunterläuft, beschließe ich über einen Stacheldraht zu klettern und meinen Weg über eine Viehweide fortzusetzen.
Kurz vor Krempel steht dann Barbara mit einer Kiste Wasser und Bananen. Erst trockene Kehle und jetzt gegen Ende dann alle auf einmal 😉 Nach erneutem Auffüllen meiner Vorräte geht es jetzt gut gelaunt auf den Rest der Strecke. Nur noch etwas über 18km, das sollte zu schaffen sein. Die Beine fühlen sich noch gut an und es ist nur noch ca. 1h bis zum Sonnenuntergang. Es ist mittlerweile angenehm kühl und das Schwitzen lässt nach. Den offiziellen 2. VP bei Kilometer 89 kann ich links liegen lassen. Es ist noch genug Flüssigkeit in der Trinkblase …
Gegen 22:00Uhr wieder ein toller Sonnenuntergang. Der Westhimmel leuchtet lange, nachdem die Sonne bereits untergegangen ist, in den tollsten Orange-Tönen. Irgendwann wird es dann so frisch, dass ich die Armlinge aus dem Rucksack fische und ein Stirnband aufziehe. Bis Spieka kann ich auf der Straße noch ohne Stirnlampe laufen, aber als es am Schluss nochmals über begraste Piste und Sandwege geht, muss dann doch noch die Stirnlampe aus dem Rucksack. Am Deich Richtung Ziel laufend bietet dann der in kräftigem rot-orange aufgehende, ziemlich volle Mond noch mal eine tolle Show. Nach 101.89km in 15h07min erreiche ich, noch so eben vor Mitternacht, auch endlich das Ziel. Neben Kerstin sind immerhin noch drei weitere Personen da, dich mich beklatschen. 4. Platz gesamt auf der 100 Kilometer Strecke (oder alternativ eben auch Letzter 😉 ). Nach 2 Weizenbieren, Dusche, etwas Klönschnack und dem Aufladen von Kerstins Fahrrad auf das Auto fallen wir gegen 02:00Uhr müde ins Bett. Das waren anstrengende 2 Tage. Auch für Kerstin. Nach den 33km Wandern am Freitag ist sie am Samstag 14.5km durch das Watt gerannt und 85km über teils üble Pisten Fahrrad gefahren. 100 Kilometer Duathlon quasi.
Danke an Kerstin, die Helfer im Hintergrund und an Wilfried, der für diesen Lauf keine Startgebühr verlangt, sondern Spenden für das “Nationale Register für angeborene Herzfehler” sammelt, für seine Organisation.
Kommentar von Wilfried Seehafer:
Watt – kann dat schön sein. Und spätestens am 13. Juli 2019 geht es beim 6. Watt-Moor- Ultra wieder durchs Watt und Moor! Start ist dann gegen 3:00 in der Nacht, somit ein besonders Erlebnis!
Nachtrag: Weil ich darauf explizit angesprochen wurde:
Komoot (Online-Kartendienst und Routenplaner) sagt zur Strecke:
- Naturbelassen: 24,0 km
Loser Untergrund: 14,5 km Kies: 10,8 km Befestigter Weg: 25,0 km Asphalt: 20,2 km Unbekannt: 5,92 km
Also durchaus eine ganze Menge Asphalt, wovon man allerdings auf den Bildern quasi nichts sieht.
Bleibt nur noch ein Sack voll Bilder dieser Aktion: