Bereits 2020 gab es, vermutlich aus den Einschränkungen durch die Covid-Pandemie heraus geboren, den Orbit360, eine Gravel-Serie. In jedem Bundesland gab es gescoutete Strecken, die es galt innerhalb eines längeren Zeitfensters unsupported und solo nachzufahren. 2020 habe ich mich jedoch noch nicht so recht an diese zum Großteil doch recht anspruchsvollen Strecken herangetraut. 2021 waren die vorgegebenen Strecken für den Orbit tendenziell alle etwas kürzer und mein Wissen und Vertrauen über/in das, was ich in der Lage bin zu fahren, gestiegen. Der Haken war jedoch, dass für mich zu kleine Zeitfenster (29. Mai bis 15. August) und was mir am meisten missfiel, die gegenüber 2020 grob verdoppelten Gebühren. 49€ um in einer Rangliste zu stehen und für Rabatte bei Partnerfirmen, mit denen ich nicht wirklich etwas anfangen kann? Hmmm, nein. Aber die Strecken des Orbit360 sind ja alle bewusst öffentlich verfügbar, damit man auch außerhalb der Serie die Strecken nachfahren kann. Also mache ich mir halt meinen eigenen 2021’er-Orbit mit verlängertem Zeitfenster und nenne ihn #DeOrbitBurn. Irgendwie muss man ja schließlich aus der Umlaufbahn um die Erde auch wieder auf den Boden (der Tatsachen) zurückkommen 😉 Wer aus der Region Hannover noch beim #DeOrbitBurn mitmachen möchte … mehr dazu demnächst auf meiner Webseite.
Alle Strecken, inklusive des Deister-Deltas, der 2021’er Orbit360-Serie sind übrigens hier bei Komoot zu finden (und hier die Strecken der 2020’er Orbit360-Serie). Der Zugriff scheint auch ohne Account bei komoot zu funktionieren.
Mit dem Deister-Delta, einer von Dan Miessen von enjoyyourbikes gescouteten Runde über 200 km und mit gleich ca. 4400 Höhenmetern, ging es gleich bei meinem ersten #DeOrbitBurn auf eine der eher anspruchsvolleren Strecken. “Tagesfüllendes Programm” und “Fahrer und Material werden an die Grenzen gebracht” las ich irgendwo im Vorfeld. Deshalb wurde dann auch der Wecker auf 04:00 Uhr gestellt, gefrühstückt, das Fahrrad auf das Autodach geladen und es ging ab nach Rodenberg, kurz hinter Bad Nenndorf.
Dann die Überraschung: Mein Garmin Edge Fahrrad-GPS, welches nach initialer Synchronisation dann plötzlich auch von meinem Lauf-Pensum der letzten 7 Tage erfuhr, wartete zum Start der Tour sinngemäß mit “Oh, oh, Überbelastung! Heute wäre ein Ruhetag sinnvoll” auf. Äh, nö! Eher im Gegenteil. Wenn der wüsste, was geplant ist ;)”, dachte ich mir nur im Stillen.
Von Rodenberg aus ging es dann um 06:05 Uhr, mit 2 Liter Flüssigkeit und diversen Schokoriegeln bewaffnet, noch vor Sonnenaufgang, an den Start. Und weil ich mir soooo sicher war, wo es lang gehen muss, habe ich mich dann auch sofort nach nur 100 Metern schon verfahren. Merkt ja keiner, dachte ich. Pustekuchen, die bessere Hälfte hat es im Live-Tracking sofort bemerkt und mir am nächsten Tag auch gleich aufs Brot geschmiert 😉 Zum Glück gab es dann aber auf dem Rest der Strecke keine Probleme mehr. Zwei oder drei Mal bin ich auf irgendwelchen flotten Downhill-Passagen an einem Abzweig vorbeigerauscht und musste ein paar Meter zurück, aber das war es auch.
Der Original-Start der Strecke ist eigentlich an der Deister-Freilicht-Bühne in Barsinghausen vorgesehen. Für mich war es jedoch einfacher, Rodenberg über die Autobahn zu erreichen. Das Orbit-Reglement erlaubt einen Start an einem beliebigen Punkt des Tracks. Außerdem konnte ich so entspannt ins Ziel rollen. Die knackigen Steigungen der letzten 25 km, waren dafür dann schon meine Auftakt-Steigungen 😉
Die Strecke nimmt wirklich alles mit, was die Gegend so an Steigungen zu bieten hat. Deister, kleiner Deister, Osterwald, Süntel, den Wesergebirgskamm an der Schaumburg vorbei bis Rinteln, Harrl, Bückeberge. Alles keine Alpenpässe, aber in der Summe doch ganz schön anstrengend und so manches Mal zeigt das GPS eine Steigung über 20% an. Irgendwo an einem fiesem Anstieg auf Schotter im Süntel muss ich kurz stoppen um den Puls wieder etwas zu beruhigen. Dort ist es so steil, dass ich es nach dem Stopp nicht mehr schaffe anzufahren. Entweder hebt das Vorderrad ab oder das Hinterrad dreht durch. Krass. Hier war dann für ein Stück Hike’n’Bike angesagt.
Vom Untergrund her fast alles fahrbar. Nur sehr sehr wenig Asphalt, man rollt viel auf mehr oder weniger glatten Schotterpisten, die aber leider manchmal auch kilometerlang von irgendwelchen Forstgerätschaften verunstaltet sind. Gefühlt würde ich sagen, von den 200 Kilometern sind 90% “Geschüttel”. Manchmal ging es auch über verwurzelte Trails, aber entsprechend langsam ging auch das mit dem Gravelbike zu fahren.
Ich habe gerade noch mal bei Komoot geschaut, demnach war es doch mehr Asphalt als gedacht:
- Loser Untergrund: 127 km
- Fester Kies: 27,0 km
- Pflaster: 1,49 km
- Straßenbelag: 21,7 km
- Asphalt: 23,1 km
- Unbekannt: 246 m
Den größten “Spaß” bzgl. des Untergrunds hatte ich oben auf dem Bückeberg hinter der ehemaligen Militärstation. Eine längere Passage durch eine Harvester-Matsch-Wurzel-und-hinterlassene-Äste-Hölle. Dem vielen Regen der Tage davor sei Dank 😉 Dieser Abschnitt wäre schon am Tage eine echte Herausforderung gewesen. Auf diesem Stück, mit dem Ziel in Rodenberg schon in greifbarer Nähe, ist es bereits komplett dunkel. Meine Flüche, obwohl ich eine 1a Beleuchtung am Rad habe, gebe ich hier lieber nicht wieder. Ich sah mich schon irgendwo der Länge nach in einem der großen Schlammlöcher liegen, schaffte es aber irgendwie doch ohne Bauchklatscher da durch. Zweimal musste ich aber zur Rettung der Situation doch die Füße aus den Pedalen ausklinken und in den Matsch setzten. Mittlerweile ist es mir auch gelungen mit Gartenschlauch und Schraubendreher die Schuhe wieder von der Matschkruste zu befreien 😉
Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Es rollte sich fast durchgehend, trotz der vielen Höhenmeter und der vielen unbefestigten Wegen, ziemlich entspannt. Die Strecke ist klasse! Bei Kilometer 72 ein Stopp an der Shell-Tankstelle in Springe. Hier scheint man die Orbiter schon zu kennen, denn es gibt ungefragt das freundliche Angebot, das Pfand für die Getränke gleich wegzulassen, wenn man die Flasche(n) gleich wieder abgeben will. Nächster Stopp an einem Brunnen bei Kilometer 102. Hier wird kurz die Trinkflasche wieder aufgefüllt. Wobei, kurz ist relativ. Es dauert doch eine ganze Ewigkeit, bis 1 Liter aus dem tröpfelnden Hahn gezapft ist. Oben auf dem Süntelturm bei ca. 122km nutze ich die Gaststätte, um ein alkoholfreies Weizenbierchen zu schlürfen und in Bückeburg, bei Kilometer 167, werden an einer Tankstellen letztmalig die Flaschen aufgefüllt, sowie die letzte verfügbare Blätterteig-Schafskäse-Schnecke erworben. Schon ein wenig zäh, war diese salzig herzhafte Mahlzeit dennoch eine wohltuende Abwechselung zu den Schokoriegeln des Tages.
Nach 15:59h (bei 12:58h reiner Fahrzeit) war ich wieder am Auto und es gab einen halben Liter wohlverdientes Weizenbierchen auf ex.
Ein paar Foto-Impressionen habe ich dann doch mitgebracht: